Gestern hat das Europäische Parlament die Reform der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (Consumer Protection Cooperation) beschlossen. Leider sieht die neue Verordnung generelle Netzsperren vor. Außerdem wurden bei den Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat Verbesserungen im Verbraucherschutz verwässert oder gänzlich gestrichen.

cc-by Stephan Caspar

Nach der neuen Regelung bekommen Verbraucherschutz-Behörden der Mitgliedsstaaten die Befugnis, nicht weiter definierte Dritte anzuweisen, den Zugang zu Webseiten zu sperren, ohne dass dafür ein richterlicher Vorbehalt notwendig wäre.

Internet-Provider werden dadurch gezwungen, eine Sperr-Infrastruktur für Webseiten zu schaffen, die später potenziell für andere Zwecke missbraucht werden kann – einschließlich Zensur. Erst kürzlich wurden zum Beispiel Webseiten im Zusammenhang mit dem katalonischen Unabhängigkeits-Referendum gesperrt. Die Einrichtung dieser Sperren war nur deswegen so kurzfristig möglich, weil die nötige Sperrinfrastruktur zuvor bereits für andere Zwecke etabliert wurde – beispielsweise für Urheberrechtsverstöße.

Die jetzt angenommene Regelung war im Rat von den Regierungen der Mitgliedsstaaten vorgeschlagen worden, die damit noch weit über den Vorschlag der Kommission hinaus wollten.

Das Parlament stimmte seine Position zur Reform im März 2017 ab. Damals setzte ich mich erfolgreich dafür ein, dass Inhalte, die gegen den Verbraucherschutz verstoßen, in letzter Konsequenz an der Quelle gelöscht werden sollen, statt providerseitige Netzsperren einzuführen – und dass dafür die Zustimmung eines Gerichts nötig sein muss, um den Schutz der Grundrechte zu gewährleisten.

Bedauerlicherweise hat die Verhandlungsführerin des Parlaments, MdEP Olga Sehnalová von den tschechischen Sozialdemokraten (S&D-Fraktion) einem Kompromiss zugestimmt, der den Ratsvorschlag zu Netzsperren übernimmt.

Der Kompromiss verwässerte außerdem auch Maßnahmen für den Verbraucherschutz:

  • Entschädigungen nur freiwillig: Der ursprüngliche Vorschlag hätte Verbraucherschutzbehörden die Befugnis gegeben, Händler anzuweisen, geschädigte Verbraucher*innen zu entschädigen. In den Verhandlungen wurde die verpflichtende Entschädigung jetzt durch eine freiwillige Selbstverpflichtung des Händlers „auf dessen Initiative“ hin ersetzt. Dass das nicht reicht, demonstriert der Dieselgate-Abgasskandal: Verbraucher*innen in den USA wurden entschädigt, in Europa jedoch nicht. Das zeigt, wie wichtig es gewesen wäre, Verbraucherschutzbehörden Befugnisse zur Anordnung von Schadensersatzzahlungen zu geben.
  • Keine Rückzahlung von widerrechtlichen Gewinnen: Nach dem ursprünglichen Vorschlag hätten Verbraucherschutzbehörden die Befugnis erhalten, Gewinne zurückzufordern, die durch den Verstoß gegen Regelungen zum Verbraucherschutz erzielt wurden. Dies hätte der skandalösen Unterfinanzierung von Verbraucherschutz-Einrichtungen entgegenwirken können. Im Verhandlungsergebnis ist diese Regelung ersatzlos gestrichen.

Ich habe Änderungsanträge eingereicht, um diese Änderungen noch in letzter Minute rückgängig zu machen – leider fand sich dafür jedoch keine Mehrheit im Plenum. Daher stimmten meine Fraktion, die Grünen/EFA, und ich schließlich gegen die Reform.

Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.

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