„Die heute vom Parlament verabschiedete Telekommunikations-Verordnung hält weder das Versprechen, die Roaming-Gebühren abzuschaffen, noch bringt sie die dringend nötige Sicherung der Netzneutralität in Europa”, kritisiert Julia Reda, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Piratenpartei und Schattenberichterstatterin der Grünen/EFA im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz.

„In erster Lesung hatte das Europäische Parlament im April 2014 eine weitgehende Regelung zur Sicherung der Netzneutralität beschlossen. Von dieser Errungenschaft ist nach den Verhandlungen mit Rat und Kommission nun nicht mehr viel übrig. Der verabschiedete Text, der nun nicht einmal mehr das Wort ‚Netzneutralität‘ erwähnt, lässt viele Hintertüren offen.

Dass Internetprovider jetzt die Möglichkeit bekommen, bestimmten Datenverkehr auf ihren Leitungen zu drosseln und anderen zu bevorzugen, schafft nicht nur ein Zwei-Klassen-Internet, sondern nimmt auch die Anreize, Leitungskapazitäten weiter auszubauen. Mit diesem Gesetzesrahmen wäre das Internet in den letzten 15 Jahren bestenfalls ein zweites Kabelfernsehen geworden und hätte nie den Platz in unserer Kultur und unserer Wirtschaft einnehmen können, den es heute innehat.

Mit der Zulassung von ‚Zero-rating‘-Diensten wird ermöglicht, dass bestimmte Internet-Angebote anderen gegenüber stark bevorzugt werden. Die Praxis wird beispielsweise von der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen als telekommunikationsrechtlich fragwürdig und für den publizistischen Wettbewerb als problematisch eingestuft. Regelungen in den Niederlanden und Slovenien, die Zero-rating dort verbieten, sind nun hinfällig.

Das Parlament lässt damit die Appelle der Zivilgesellschaft verhallen, die in den vergangenen Wochen immer lauter geworden waren. Zuletzt hatte sich der WWW-Erfinder Sir Tim Berners-Lee den Rechtswissenschaftlern Barbara van Schewick (Stanford) und Lawrence Lessig (Harvard) angeschlossen und gefordert, die Schlupflöcher in der Verordnung zu schließen.

Trotz alldem hat sich das Plenum heute mehrheitlich für die Annahme der Verordnung ausgesprochen – möglicherweise, um die in der Europäischen Öffentlichkeit aufmerksam verfolgte ‚Abschaffung der Roaming-Gebühren‘ voranzutreiben. Doch selbst dafür ist die jetzt beschlossene Verordnung nicht zu gebrauchen. So wurde die Abschaffung der Roaming-Gebühren zunächst an eine umfangreiche Untersuchung der Preise und des Nutzungsverhaltens in Europa gebunden. Und falls die Studie überhaupt bis zum Stichtag am 15. Juni 2017 fertig wird, sind die Roaming-Gebühren nicht gänzlich abgeschafft, sondern nur bis zu einer sogenannten ‚Fair use‘-Obergrenze ausgesetzt. Darüber hinaus bleiben sie weiter bestehen und behindern somit weiter die Entstehung einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit.“

Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.

Ein Kommentar

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    Marc Fritzsche

    Und ist denn mit der Vorgabe, jeder Provider müsse einen (!) Tarif anbieten, der die vorgesehenen Roaming-Preisgrenzen einhält, wirklich etwas gewonnen? Was, wenn das nicht mein – möglicherweise langfristig vertragsgebundener – Tarif ist? Oder wenn dieser eine Tarif mit Flatrates operiert, die dann auf Dauernutzung umgerechnet werden, so dass ich mit 50 Euro Monatsgebühr dabei bin?