Morgen, am 27. November, wird das Europäische Parlament über einen Resolutionsantrag der beiden großen Fraktionen EVP und S&D zu „Verbraucherrechten im Digitalen Binnenmarkt“ abstimmen. Seit dem Wochenende, also schon mehrere Tage, bevor er überhaupt formal im Parlament eingebracht wurde, schlägt dieser Antrag in der internationalen Presse hohe Wellen. Mehrere Medien haben den Eindruck verbreitet, das Parlament wolle hier die Zerschlagung von Google beschließen. Mein Parlamentskollege Michel Reimon hat einen Erklärtext zu diesem Medienstunt verfasst.

Absatz 10 der eingereichten Resolution streicht die Bedeutung von Suchmaschinen für einen funktionierenden Wettbeweb auf dem digitalen Binnenmarkt heraus. Die Europäische Kommission wird aufgefordert, existierendes Wettbewerbsrecht anzuwenden und sich darüber Gedanken zu machen, ob die Entflechtung von Suchmaschinen von anderen kommerziellen Diensten möglicherweise langfristig helfen würde, dieses Ziel zu erreichen. Ein doch eher zahmer „Aufruf zur Zerschlagung“.

ein subtilerer plan?

Mich machte eher der nächste Absatz der Resolution hellhörig, der sich ebenfalls auf Suchmaschinen bezieht. Hier wird gefordert, dass das Suchverfahren und die Resultate „unparteiisch“ sein sollen, um Internetsuchen „nichtdiskriminierend zu halten“ und „um Wettbewerb und Wahlfreiheit für Nutzer und Konsumenten sicherzustellen“. Folglich sollen Indexierung, Gewichtung, Darstellung und Reihenfolge von Suchmaschinen unparteiisch und transparent sein.

Diese Formulierungen enthalten Sprengstoff. Es drängt sich der Verdacht auf, dass damit ein europaweites Leistungsschutzrecht für Presseverleger vorbereitet werden soll. Der Versuch, mit einem solchen große Verlage durch Google querzufinanzieren, ist in Deutschland zuetzt gehörig nach hinten los gegangen. Soll hier nun das Puzzleteil geschaffen werden, das in Deutschland noch gefehlt hat?

Im Oktober brach EU-Digitalkommissar Oettinger noch vor seinem Amtsantritt eine Debatte über ein europaweites Leistungsschutzrecht vom Zaun. Keinen Monat später gibt es nun den nächsten Aufschlag in diese Richtung – diesmal im Parlament.

Totalversagen beim deutschen Vorbild

Erinnern wir uns: Nach einem langen Lobbykampf wurde 2013 das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Deutschland eingeführt. Das Ziel: Presseverleger sollten Geld dafür verlangen können, wenn Suchmaschinen und Aggregatoren Links zu ihren Artikeln publizieren, die von kurzen Ausschnitten des Inhalts begleitet sind. Die Reaktion der Suchmaschinenanbieter in Deutschland war unterschiedlich: GMX und Yahoo strichen die Webseiten der von der Verwertungsgesellschaft VG Media vertreten Verlage kurzerhand komplett aus ihren Ergebnissen. Der Marktführer Google kündigte an, Suchtreffer von diesen Seiten künftig ohne Text- und Bildausschnitte auszuliefern, um das Gesetz nicht zu verletzen.

Dieser Schritt brachte die Verleger auf die Palme: Wie konnte Google es wagen, ihre neu erstrittenen Rechte NICHT zu verletzen und somit nicht lizenzpflichtig zu werden? Wenig später gab die VG Media klein bei und erteilte Google eine „widerrufliche Gratiseinwilligung“ – wohlgemerkt nur Google. Ein Gesetz, das geschaffen wurde, um Google zur Kasse zu bitten, betrifft daher derzeit in Deutschland alle Suchmaschinenbetreiber außer Google und sichert somit Googles Vormachtstellung nur noch ab. Eine entsprechende Anfrage von mir an die Kommission zur kartellrechtlichen Würdigung dieser effektiven Bevorzugung Googles durch die Verlage und VG Media ist bislang unbeantwortet.

Der fehlende Puzzlestein für den nächsten Anlauf

Natürlich haben die Verleger ein Interesse daran, Google und anderen Suchmaschinen ein Ausweichen vor dem Leistungsschutzrecht zu untersagen. Sie drohten mit dem Kartellamt (das in Deutschland davon herzlich unbeeindruckt war) und führen Klagen. Am praktischsten für die Verlage wäre es daher, Google rechtlich zwingen zu können, die vom LSR erfassten Seiten im Index zu belassen.

Genau darauf könnte die Formulierung in der Resolution zur „Neutralität“ der Suchergebnisse abzielen. Die Vorstellung, dass eine Suchmaschine zum Indexieren von Seiten gezwungen wird, die sie ohne positiven Abschluss von Lizenzverhandlungen gar nicht in den Suchergebnissen inkludieren darf, ist höchst absurd. Gäbe die Suchmaschine den Forderungen der Verlage nicht nach, wäre der einzige verbleibende legale Schritt, die Suchmaschine komplett herunterzufahren.

Unsere Änderungsanträge

Michel Reimon und ich haben im Namen unserer Fraktion dazu Änderungsanträge eingebracht. Durch die Änderung des Absatzes 11 wollen wir einer Lesart für einen solchen „Zwang zur Indexierung“ zur Durchsetzung eines Presseverleger-Leistungsschutzrechts Einhalt gebieten. Außerdem haben wir einen neuen Absatz vorgeschlagen, der auf die negativen Auswirkungen v.a. des deutschen Presseverlegerleistungsschutzrechts hinweist: Amendments 30 und 32.

Wenn wir die Kommission zu einem entschlossenen Auftreten gegenüber einflussreichen Internetkonzernen bringen wollen, dann konzentrieren wir uns doch auf Maßnahmen, die funktionieren: Wir müssen Konsequenzen aus LuxLeaks ziehen und das Steuerdumping in Europa beenden, damit internationale Konzerne endlich ganz normal Steuern zahlen. Wem Chancengleichheit und ein innovationsgetriebener Markt am Herzen liegt, fände in diesem Punkt schnell Änderungsbedarf.
Was wir nicht brauchen, sind neu erfundene Abgaben für einzelne Firmen mit gefährlichen Nebenwirkungen, die den freien Informationsaustausch im Netz gefährden.

Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.

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