Tonaufnahme der Frage von Julia Reda an Günther Oettinger

Nach der Anhörung des designierten EU-Kommissars für Digitales zieht Julia Reda, Europaabgeordnete der Piratenpartei eine vernichtende inhaltliche Bilanz:

„Wenn Günther Oettinger bei seiner Anhörung im Europaparlament konkreten Fragen nicht gänzlich auswich, demonstrierte er ein mangelhaftes und industriezentriertes Verständnis von Netzpolitik. Für die Verteidigung der Grundrechte im Netz und der Interessen der breiten Bevölkerung lässt das Schlimmes befürchten. Wenn er sein erfreuliches Versprechen wahr macht, sich den Fragen der InternetnutzerInnen in einer Online-Anhörung zu stellen, wird er viel klarstellen müssen.“

Im Rahmen einer Frage zum Thema Datenschutz nahm Oettinger Bezug auf jüngste Fälle, bei denen auf Cloud-Backups gespeicherte Privatfotos Prominenter unerlaubt veröffentlicht wurden: Wer Nacktfotos hochlade, dürfe nicht erwarten, dass diese Dummheit noch geschützt werde. Dazu Reda: „Es ist skandalös, dass der Bewerber um Europas führenden Netzpolitik-Posten impliziert, man solle das Netz halt nicht nutzen, wenn man seine Daten schützen wolle, und hier eine Täter-Opfer-Umkehr vornimmt.“

Deutlich kritisiert Reda auch die Antworten des designierten Kommissars zum Thema Netzneutralität: „Oettinger machte deutlich, dass er die Position des Parlaments für eine starke Netzneutralität nicht unterstützen wird. Seine Verteidigung der Bevorzugung von Diensten ‚in öffentlichem Interesse‘ – wobei er Kultur im nächsten Satz als ein solches definierte – erweckt den Eindruck, dass er die Materie nicht versteht. Gerade im Kulturbereich ist Netzneutralität unumgänglich, wenn man den Markt für neue, innovative Dienste offen halten will. Zusammen mit seiner Ankündigung, ‚die Digitalisierung mit möglichst wenig Regulierung zu verbinden‘ ist das kein gutes Zeichen für die Verhinderung von Überholspuren im Netz.“

„Seine in erster Linie wirtschaftlich geprägten Ausführungen zum Urheberrecht zeugen von fehlendem Verständnis davon, dass heutzutage immer mehr NutzerInnen im Internet selbst zu Kreativschaffenden werden und Kultur sich auch außerhalb von Verwertungslogiken abspielt. Meine darauf abzielende Frage zu Urheberrechtsschranken, die dieser Entwicklung Rechnung tragen, hat er ignoriert“, so Reda.

Besorgniserregend ist laut der Abgeordneten weiters Oettingers Befürwortung von Netzsperren: „Oettinger hat das jüngst verabschiedete Netzsperren-Gesetz Frankreichs begrüßt, obwohl er es laut eigener Aussage gar nicht kennt. Sein blindes Vertrauen in die Achtung von digitalen Grundrechten durch die Mitgliedstaaten ist angesichts der Skandale der letzten Jahre erschreckend. Es ist, als habe Oettinger die Diskussion zum Thema ‚Löschen statt Sperren‘ der letzten Jahre komplett verschlafen.“

Erfreut zeigt sich Reda hingegen über Oettingers Ankündigung, Abgeordnete schon in einem frühen Stadium in die Urheberrechtsreform einzubinden: „Auf dieses Angebot werde ich sicherlich zurückkommen!“. Der designierte Kommissar zeigte sich außerdem aufgeschlossen gegenüber ihrem Vorschlag, sich auch den Fragen von Internetnutzenden in einer Online-Anhörung zu stellen. Solche sammelt Reda bereits auf der Plattform WhatWouldYouAsk.eu.

Soweit dies durch das Gesetz möglich ist, hat der Schöpfer auf das Copyright und ähnliche oder Leistungsschutzrechte zu seinem Werk verzichtet.

4 Kommentare

  1. 1
    Daniel Bohrer

    Die Tonaufnahme hört bei mir mitten in der Antwort von Herrn Oettinger (bei 1m56s) auf, soll das so?

  2. 2
    Harald "VinPei" Bauer

    Mehr hätte ich mir von diesem politischen Dinosaurier an Einsicht in die Zusammenhänge da jetzt eigentlich auch nicht erwartet. Auf Oettinger trifft wie auf kaum einen anderen die „Volksweisheit“ zu – „hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“.

    Und dort ist das Auslaufmodell eines abgetakelten Politikstils auch nur gelandet, weil er in Baden-Württemberg wegen zu vielen Tapsigkeiten, wie u.a. der verharmlosenden Trauerrede auf seinen Vorgänger als Ministerpräsident Filbinger und dessen Verstrickungen als Richter in der Nazizeit, nicht mehr tragbar war.

    Oettinger war immer ein Vertreter der Konzerne und beschützte die Autoindustrie stets vor allzu innovativen Auflagen im Sinne der Umweltverträglichkeit. Somit kann ich mir kaum vorstellen, dass wir uns aus Sicht der Verbraucher auf allzuviel, Positives freuen dürfen.

  3. 3
    Otla Pinnow

    „Meine darauf abzielende Frage zu Urheberrechtsschranken, die dieser Entwicklung Rechnung tragen, hat er ignoriert”, so Reda.“

    Wetten, dass er die gar nicht erst verstanden hat?
    Das wird noch ein Problem werden. Wer Fragen, Anregungen und Kritik nicht versteht, der kann darauf auch nicht reagieren.